"Lieder"
Was bedeutet dieser Erotik-Begriff?

Bis in die 1950er Jahre hinein waren erotische Volkslieder, Soldatenlieder und Schlager, aber auch durchaus Chansons, die Würze unterschiedlich gestalteter Herrenabende. An der Spitze reagierten die von Friedrich Hollaender, Erich Kästner, Hugo Wiener und Kurt Tucholsky geschriebene Edelchansons sowie die von Helen Vita interpretierten "Frechen Chansons aus dem alten Frankreich".

Allzeit-Spitzenreiter war damals der "Nowack", der auf dem Index stand - im Radio dufte die Nummer nicht gespielt werden.

Soldaten sangen das Lied vom "Sanitätsgefreiten Neumann" und das Volk grölte das Lied vom "Wirtshaus an der Lahn", besser bekannt als "Frau Wirtin", in dem lauter Zoten in zusätzlich eingebrachten Strophen vorkamen.

Die Zensoren wurden gelegentlich ausgetrickst: Josephine Baker überlistete die Zensur mit "Tomaten" und anderen Obstgenüssen (Don't Touch Me Tomato"), und die Bluessängerinnen hatten ihre Codewörter, um jederzeit den Geschlechtsakt ansprechen zu können. Ein Beispiel ist "Jelly Roll".

Die Versorgung aus dem Rundfunk stockte oftmals: "Laila" kam auf den Index, weil der arme Legionär "geküsst und gequält" wurde, war aber nicht zeitlos genug, um die Zeit zu überdauern. Das schaffte dann Serge Gainsbourg mit seinem gemeinsam mit Jane Birkin interpretierten Stöhngesang "Je t'aime, moi non plus". Auch Ray Charles schuf mit "What'd I Say" sogar einen Evergreen des erotischen Lieds.

Bie vielen Sängerinnen und Sängern zählte nicht einmal das interpretierte Liedgut - ihre Stimmen waren so verführerisch, dass sie fast alles singen konnten - und es klang immer erotisch. Beispiele dafür sind Marlene Dietrich und Billie Holiday. Bei letzterer klang sogar eine vehemente Anklage gegen den Rassenhass (Strange Fruit) noch so erotisch, dass dieses Lied in einem Film zur Untermalung einer erotischen Szene im Spielfilm "9 1/2 Wochen" verwendet wurde.

Heute ist es still geworden um die alten Lieder, die aber teilweise immer noch den hinterhältigen Charme ihrer Schöpfer haben.