Aus dem Umfeld der Sexarbeit: Telefonsex
Ich bin ganz allein, ich bin so geil ... ruf mich an!
Jiemand sollte seinen Job lieblos tun - vor allem eine "Telefonhexe" nicht. Denn verdient wird nur, wenn die Stimme glaubhaft rüberkommt - und das ist bei vielen Frauen der Branche nicht der Fall. Sie vergessen, dass auch der größte Lüstling versucht, auf seine Art über die Nummer Liebe zu bekommen - und die audiovisuelle Zukunft der Branche verlangt ohnehin mehr Einsatz.
"Karin" hatte Freude daran - und genoss die Macht der Telefonfrauen
Karin hat das ganze Spaß gemacht. "Einen Mann nur mit Worten zu erregen, bis er abspritzt, ganz ohne in zu berühren oder sonst wie verführen zu müssen - das gibt einem schon ein wenig das Gefühl von Macht", lächelt sie. Eine Telefonhexe ist sie während ihrer Studentenzeit geworden, als sie gerade mal neunzehn Jahre alt war, und sie wusste: es war nicht für immer. Doch in dem halben Jahr, in dem sie es gemacht hat, hat sie viel gelernt: Über die Wünsche der Männer, aber auch über die Bandbreite der Sexualität im allgemeinen: ja, sie sei toleranter geworden, auch aufgeschlossener gegenüber der eigenen Sexualität. Über den Verdienst schweigt sie, aber sie verrät doch, dass sie etwa 15 Stunden pro Woche telefoniert habe: Das entspäche einem Einkommen von etwa vierhundertfünfzig Euro.
"Maria" hatte keinen Erfolg und gab frustriert wieder auf
Anders ist es Maria ergangen: Auch sie trat nach einer Scheidung mit großen Hoffnungen den Job bei einer Hundertneunziger-Nummer an, aber ihr ganzes Einkommen betrug einen halben Euro, und dabei hatte sie sich alles so gut zurecht gelegt: Rieke würde sie heißen, 32 Jahre alt sein und nur am Telefon sein, weil sie so allein ist und so viel aufgestaute Lust auf Sex hat. Doch viel mehr als ein Klicken in der Leitung hat sie nie gehört: Nach zwei Sätzen waren die Männer plötzlich weg. Anfängerpech oder die falsche Firma? Sie weiß es nicht, hat einfach aufgehört.
Für zwei Euro pro Minute will der Kunde glaubhaft gespielte Orgasmen
Woran es liegt? Doris, die sich seit Jahren mit dem Geschäft auskennt, weiß es sicher: "Das ganze muss einer ausgeklügelten Partitur folgen", sagt sie lächelnd, "und es beginnt damit, die den Kunden vorzustellen: Nimm an, er ist dein Liebhaber, und sei nett zu ihm ... wenn Du denkst, dass er ein gottverdammter Wichser ist, kannst du nicht nett zu ihm sein. Schließlich ruft er uns an, um Liebe zu bekommen - auf seine Art jedenfalls". Brachchenkenner glauben ohnehin, dass die Zukunft nicht den Telefonhexen gehört, die heute noch glauben, ihren Job in Hose und Pulli während der Hausarbeit erledigen zu können. "Männer werden kritischer" sagte eine Expertin, "wenn du fast zwei Euro die Minute bezahlst, willst du schon etwas mehr als eine müde vierzigjährige Hausfrau, die keine Ahnung hat, wie man einen Schwanz lutscht".
Fast schon Alltag: Audiovisueller Telefonsex
Die Lösung bisheriger Probleme mit der Geilheit sehen viele in audiovisuellem Sex: während man mit der Dame telefoniert, sieht man am Bildschirm, was sie dabei tut - ohne Hose und Pullover, sondern in heißer Wäsche - und auch die kommt bei Bedarf noch runter. Eine Vorschau bot lange Jahre der französische Fernsehsender "Ultra Blue TV", der Tag für Tag einen Ausschnitt der Sexgespräche mit dem Telefondamen des "Clubs 88" sendete. Es gibt immer wieder Nachfolger, wie etwa Sexysat 1, doch die eigentliche Zukunft dieser Branche liegt im Internet. Die Damen sitzen meist auf einer Couch oder liegen auf einem Bett - und ihre Kunst besteht darin, den Anrufer möglichst lange am Telefon festzuhalten, während sie sich vor ihrm Kunden produzieren.
Die Zeit, in der gelangweilte Hausfrauen mit Lockenwicklern vorgefertigte Skripte verlasen und dies als "Sex" ausgaben, scheint vorbei zu sein. Was nun verkauft wird, ist die möglichst perfekte Illusion. Man kann es auch so sagen: Gewinnerinnen sind die Künstlerinnen unter den Damen, und Verliererinnen sind vor allem ein paar Hausfrauen, die bisher glaubten, mit ein bisschen Stöhnen schnell Geld machen zu können.
Auf in die Praxis:
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