Die Barfrau
Versuch einer kulturhistorischen Betrachtung eines Phänomens

Ein Artikel von Sehpferd - © 2008 by sehpferd

Kein Mensch auf der Welt ist den einsamen Junggesellen, den Reisenden und Ruhelosen so wichtig wie sie: die Barfrau. Sie weiß, was und wie viel Du trinkst, kennt deine erotischen Vorlieben ebenso wie deine Automarke, dein Vorleben und deinen Blues ... und ist stets zur Stelle mit einem offenen Ohr, einem Lächeln und einem Rat: Eine Barfrau ist für den Stammgast alles, und das zahlt sich in der Regel auch aus: Gute Bars sind immer noch Goldgruben, und exzellente Barfrauen kleine Juwelen, die im Licht ihrer Gäste glitzern.

Denn die Bar ist in Wahrheit eine Bühne, und die Barfrau ihre einzige verlässliche Darstellerin ... und so wird sie häufig beschrieben, gemalt und besungen: Sie ist eine Frau für alle, aber keine Frau für alles.

Die Verlockung, die ohne Zweifel von ihr ausgeht, nutzt sie, um ein paar Manhattan oder "Sex on the Beach" mehr zu verkaufen. Dafür bekommt man von ihr, was nicht alltäglich ist: Lebenserfahrung gratis, mal als Smalltalk, mal als weisen Rat.

Ist ihre Bar ein Etablissement, in dem sich schon mal ein paar Damen unter die Gäste mischen, deren Absichten auf die Geldbeutel der Herren abzielen, und ist der Gast den Gegenleistungen nicht ganz abhold, die im Tausch dafür geboten werden, weiß die Barfrau rat: sie beobachtet, wie oft die Damen kommen und mit wem sie üblicherweise gehen, und sogar die erotischen Qualitäten kennt sie vom Hörensagen: die Männer erzählen ihr oft freimütig intimes aus ihren Seitensprüngen.

Wer hingegen die Barfrau selber fragt, wo ihre erotischen Präferenzen liegen oder ihr gar entsprechende Anträge macht, sollte sich darauf gefasst machen, beim nächsten Mal nur noch mit professioneller Höflichkeit bedient zu werden: Barfrauen wollen, dass der Stil gewahrt bleibt, und das bedeutet, dass man von der Garantie, dem Umsatz und von Trinkgeldern lebt - und von sonst gar nichts.