Der Tod einer Hure und der Schock für die Republik
Am 29. Oktober 1957 stirbt zu Frankfurt eine Hure - doch nicht ihr Tod schockiert, sondern ihr Reichtum
m Dienstag, dem 29.Oktober 1957, starb eine junge Frau in ihrer Wohnung zu Frankfurt: Sie wurde erdrosselt. Einige Tage später hatte die junge Republik ihre Sensation: Die Tote ist die uneheliche Tochter einer Düsseldorfer Putzfrau, sie hatte Heimerziehung genossen, galt dort als aufsässig und war Zeit ihres Lebens kaum des Schreibens fähig. Doch sie besaß eines roten Mercedes 190SL und 46 Paar Bally-Schuhe - und verdiente ihr Geld damit, die Beine zu spreizen: Das Einkommen der Hure Rosemarie Nitribitt alias "Rebecca" wurde später auf etwa 100.000 DEM jährlich geschätzt - mindestens 20 mal soviel wie ein recht ordentliches Angestellten-Gehalt der damaligen Zeit.
Aufschrei der Moralisten
Die Republik schrie auf: Nicht wegen des Mordes, sondern wegen der liederlichen Frau, die es wagte, ihren Körper zu verkaufen und damit noch reich zu werden: Denn eine Hure hatte kein Auto zu besitzen, schon gar nicht eines dieser Klasse - die Mehrzahl der Angestellten war nicht in der Lage, überhaupt ein Auto zu unterhalten.
Der Adenauer-Staat bekommt eine Delle
Man dachte an die Moral, an die Männer, die ihr Geld in die "Gosse" warfen. Man dachte vor allem daran, dass Adenauers pechrabenschwarzer Friede-Freude-Wirtschaftswunderstaat plötzlich eine moralische Delle hatte - denn bezahlt hatten diese Frau überwiegend die Männer des Wirtschaftswunders - daran bestand kein Zweifel.
Presse: "Ein Geschwulst herausgeschnitten"
Wie es schien nahm sie jeden, der gerade kam, wenn er nur zahlen konnte: Männer aus allen Ständen für ein Honorar ab 80 Mark - damals etwa so viel wie eine Monatsmiete. Nun da sie tot war, schrieb eine Illustrierte, "der Geschwulst (sei) herausgeschnitten". Weit gefehlt. Tausende von "Neureichen" hatte das Wirtschaftswunder schon hervorgebracht, und viele von ihnen wussten, wo sie das sauer verdiente Geld in Lust tauschen konnten: Jede Großstadt hatte die verschwiegenen Adressen von Frauen mit kleinen Appartements: Und manche von ihnen gingen zur Tarnung durchaus bürgerlichen Berufen nach: Krankenschwestern, Bedienungen, ja sogar Sekretärinnen.
Keine Schönheit, aber sexuell begehrenswert
Schönheit war nicht gefragt: allein die "Machart" zählte Sie mussten nicht schön sein, um Männer zu faszinieren: In jenen Jahren kamen Ehefrauen bestenfalls ihren "Pflichten" nach, und das auch nur wiederwillig und nach mehreren deutlichen Aufforderungen. Lustvolle Erotik im ehelichen Schlafzimmer gab es nicht. Da hatten es Huren leicht: Ein wenig die Dessous zeigen, den Erfrischungsraum immer schön feucht halten und natürlich "französisch": Das war schon fast alles. Damals wollten Männer noch keine durchgestylten Huren, keine Lebedamen, keinen "Begleitservice". Schönheit zählte weniger als sexuelle Freizügigkeit.
Was sagte noch immer die Barfrau der legendären "Bodega"? : "Du verkennst die Dinge, mein Lieber - es ist nicht der Stoff, der Kleider so teuer macht, es ist die Machart". Das erste Mal, als ich es hörte, habe ich recht verdutzt geguckt.
Relationen: Geld und Liebe
Das Einkommen einer Hure im Vergleich zur Monatsmiete
Der Chefermittler in Sachen Nittribit, ein Kriminalist mit dem Namen Kalk, hatte offensichtlich eine schlechte Erinnerung an die 50er Jahre, als er später einem Journalisten sagte: "Sie hat es ja schon für 80 Mark gemacht." Wie bitte? "Schon" für 80 Mark? Damit Sie, lieber Leser, nicht dem gleichen Irrtum verfallen: 80 Mark war damals (1953) ungefähr der Betrag, den man für eine frei finanzierte 3-Zimmer-Wohnung an Miete bezahlte.
Um wieder zu Relationen zu kommen, hier die Bruttobezüge eines Polizisten jener Zeit: "Ein Polizeihauptwachtmeister mit zehnjähriger Dienstzeit, 32 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, hat im Sommer 1950 Bruttomonatsbezüge von 305,50 DM. Zur gleichen Zeit muss man für die Miete in einer Neubauwohnung von ca. 70 qm im sozialen Wohnungsbau 56 DM bezahlen." (Quelle: GWP)
Auf in die Praxis:
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